Mensch-Roboter-Kollaboration bei Ford

Kollege Roboter

Im Motorenwerk der Firma Ford in Köln arbeitet seit einigen Monaten ein neuer Kollege und unterstützt zwei Mitarbeiter mit Schwerbehinderung bei ihrer Arbeit am Band. Der Neue ist ein sogenannter kollaborierender Roboter. Das LVR-Inklusionsamt und die RWTH Aachen waren an der Umgestaltung des Arbeitsplatzes maßgeblich beteiligt.

Gemeinsam haben wir einen einzigartigen kollaborativen Arbeitsplatz in der Industrie umgesetzt. Ich kenne kaum solch erfolgreich umgesetzte Kollaborationsarbeitsplätze.
Prof. Mathias Hüsing, RWTH Aachen
Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner
Dietmar Brauner an seinem Arbeitsplatz

Der "Neue"

In der großen Halle des Motorenwerks in Köln Niehl herrscht emsiges Treiben. Die Motoren fahren auf dem Band kreuz und quer durch die Halle, Mensch und Roboter arbeiten Teile ein, Lieferfahrzeuge bringen neues Material an die Arbeitsplätze. In dem Trubel geht der neue kleine Roboterkollege der Fordwerke fast unter, obwohl er leuchtendorange ist. Ein kollaborierender Roboter, kurz Kobot, übernimmt an einer Stelle der Fertigungsstraße neuerdings zwei Handgriffe. Das klingt nach wenig, aber: Diese Handgriffe wären für die menschlichen Mitarbeiter auf Dauer zu anstrengend – und so entstand mit der Unterstützung durch den Roboter ein Arbeitsplatz für zwei Mitarbeiter mit Schwerbehinderung.

Einer davon ist Dietmar Brauner. Der langjährige Fordmitarbeiter arbeitet seit April 2021 mit dem Kobot zusammen und freut sich, dass er nun einen Arbeitsplatz gefunden hat, der zu seinen Fähigkeiten passt. Die schweren Handgriffe nimmt ihm der Kobot ab, den Rest schafft er selbst. Brauner sagt, dass er von Anfang an neugierig gewesen sei, in dem Projekt mitzuarbeiten und dass es sehr gut angelaufen sei. 

Auf einem Bildschirm ist Vanessa Lemoch zu sehen
Auf einem Kamerabildschirm sieht man ein Porträt von Vanessa Lemoch, Leiterin Kobot-Projekt, Ford

Keine Scheu

Dass er keine Scheu vor dem neuen Kobot hatte, sei ein großer Vorteil gewesen, erklärt Vanessa Lemoch, die das Kobot-Projekt bei Ford leitet. Das Besondere an dem Kobot ist, dass er ohne räumliche Trennung und ohne Schutzzaun direkt neben dem Mitarbeiter arbeitet. Deshalb braucht der Roboter spezielle Sensorik. Im Falle einer unfreiwilligen Berührung stoppt er beispielsweise sofort, um den Mitarbeiter nicht zu verletzen. Das sei auch einer der Knackpunkte bei der Einführung gewesen, erklärt Lemoch. Die Fertigungsabläufe mussten an den Kobot angepasst werden. Dieser arbeitet relativ langsam – auch ein Schutzmechanismus – und das Band musste entsprechend getaktet werden.

Die Mitarbeiter hingegen waren recht schnell überzeugt – das liegt womöglich auch an der weichen, rundlichen Form des Kobot. Er wirkt nicht bedrohlich oder gefährlich, trotz des fehlenden Zauns, und arbeitet seit nunmehr über vier Monaten einträchtig mit seinen beiden menschlichen Kollegen zusammen. 

Christoph Beyer, Leiter LVR-Inklusionsamt

"Wir können die Digitalisierung natürlich nicht aufhalten – also nutzen wir sie."

Christoph Beyer, Leiter LVR-Inklusionsamt
Vanessa Lemoch, die das Kobot-Projekt bei Ford leitet

"Bei diesem Projekt können wir die Mitarbeitenden, den Linienfluss und die Forschung weiterbringen."

Vanessa Lemoch, Leiterin Kobot-Projekt, Ford
Oliver Färber, Werksleiter bei Ford

"Das ist ein tolles Projekt, das Nachahmung finden sollte – in maximaler Anzahl!"

Oliver Färber, Werksleiter bei Ford
Oliver Färber, Werksleiter bei Ford
Oliver Färber, Werksleiter bei Ford

Bewährungsprobe

Die Feuerprobe ist gelungen, findet Oliver Färber, Werksleiter im Kölner Motorenwerk, und betont, dass dies nur der Anfang sei. Damit es nicht bei dem einen Kobot und den zwei Arbeitsplätzen bleibt, wurde die RWTH Aachen ins Boot geholt. Gemeinsam mit allen Beteiligten wird aktuell analysiert, wie man die Erfahrungen rund um Kobot Nummer eins auf weitere Arbeitsplätze übertragen kann. Prof. Mathias Hüsing, der das Projekt von Seiten der RWTH Aachen begleitet, erklärt, dass es bisher wenige solch kollaborative Arbeitsplätze gebe. Er fragt: „Warum dieser Mangel?" Um anderen Unternehmen die Gestaltung von Kollaborationsarbeitsplätzen zu ermöglichen, analysiert die RWTH Aachen die Prozessplanung bei Ford und entwickelt daraus Empfehlungen.

Christoph Beyer, Leiter LVR-Inklusionsamt

Nachahmung erwünscht

Und genau das sei das langfristige Ziel des Projektes, betont auch Christoph Beyer, Chef des LVR-Inklusionsamtes. Neben den geschaffenen Arbeits­plätzen für Menschen mit Schwer­behinderung ist der Nach­ahmungs­effekt explizit gewünscht. Das LVR-Inklusionsamt war von Anfang an bei der Planung involviert und unterstütze mit Expertise und einem Förderbetrag in Höhe von 372.000 Euro, der in die Anschaffung des Kobot und die nötigen Anpassungen floss.

Die Zusammenarbeit war, das betonen alle Beteiligten, immer konstruktiv und wertschätzend und habe super funktioniert. So wurden die beiden Mitarbeiter bereits einbezogen und auf die körpernahe Arbeit des Kobot vorbereitet, bevor der Roboter angeschafft wurde. 

Beyer wünscht sich, dass auch andere Unternehmen und Organisationen solch eine Kooperation in Betracht ziehen, um Mitarbeitende mit Schwer­behinderung im Job zu halten oder sogar einstellen zu können. Das LVR-Inklusionsamt ist, so versichert Beyer, für Beratung und Unterstützung zur Stelle. 

Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner bei der Arbeit

Das Kobot-Projekt: Gemeinsame Sache

Die Ford-Werke GmbH ist ein deutscher Automobilhersteller und Mobilitätsanbieter mit Sitz in Köln. Das Unternehmen beschäftigt an den deutschen Standorten mehr als 20.000 Mitarbeiter*innen. 

Seit 2018 wird das Kobot-Projekt gemeinsam mit dem LVR-Inklusionsamt realisiert. Für weitere Analysen und die Adaption des Projektes in anderen Bereichen und Branchen ist seit Juni 2020 auch die RWTH Aachen mit dabei.  

0 372000

Euro betrug die Förderung durch das LVR-Inklusionsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe

0 2

Arbeitsplätze für Mitarbeitende mit Schulter- und Hand­gelenks­einschränkungen wurden geschaffen

0 47

Millionen Fahrzeuge haben die Fordwerke seit Gründung 1925 produziert

Portraitfoto von Mathias Hüsing. Er trägt eine Brille und einen dunkelblauen Anzug mit Hemd und Krawatte.

3 Fragen an Prof. Dr.-Ing. Mathias Hüsing 

Wie verlief Ihre Zusammenarbeit mit Ford und dem LVR?

Die Zusammenarbeit mit Ford und dem LVR funktioniert reibungslos und prima. Angeforderte Dokumente für die wissenschaftliche Auswertung seitens Ford werden zügig zur Verfügung gestellt und der Austausch ist immer sehr interessant. Auch die Finanzierung seitens des LVR ist stets flexibel. Durch die gute Zusammenarbeit können die Umstände der Corona-Pandemie ohne Probleme bewältigt werden.

Welche Vorteile sehen Sie im Kobot?

Der Kobot eignet sich vor allem für repetitive, belastende und ermüdende Aufgaben. Insgesamt können so Erkrankungen vorgebeugt, Ausfalltage verringert und die Zufriedenheit der Beschäftigten gesteigert werden. Dabei sehen wir den Kobot als Assistenzmedium für Menschen.

In welchem Kontext können Sie sich den weiteren Einsatz von Kobots vorstellen?

Die zukünftigen Einsatzszenarien sind schwierig abzuschätzen, da Kobots immer wieder in verschiedensten und neuen Kontexten eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Kollaboration noch ausbaufähig ist. Die meisten Kobots werden wie Industrieroboter ohne trennenden Schutzzaun betrieben. Die höchste Kollaborationsstufe jedoch ist die synchrone Zusammenarbeit am selben Bauteil. Hier gibt es also noch ein großes Potential. Fortschritte in Sensortechnologien und Künstlicher Intelligenz wird die Sicherheit der Kobots in Zukunft entscheidend verbessern. Wir stellen uns den Einsatz von Kobots in modernen Arbeitsplätzen vor, bei denen Menschen bestmöglich unterstützt werden und die Roboter über Sprachsteuerung und Intentionserkennung proaktiv an der vorliegenden Aufgabe beteiligen können.

Das Projekt in Bildern

Gruppenbild des Kobot-Projektteams in der Montagehalle: Ralf Kutzinsky, Meike Groh und Vanessa Lemoch.

Das Kobot-Projektteam: Ralf Kutzinsky (BGM-Koordinator), Meike Groh (Disability Managerin), Vanessa Lemoch (Projektleiterin), © LVR/Rupert Oberhäuser

Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner im Gespräch mit einem Kollegen

Die Mitarbeiter haben den Roboter gut angenommen, © LVR/Rupert Oberhäuser

Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner bei der Arbeit

Der Roboter hat die Arbeit im April 2021 aufgenommen, © LVR/Rupert Oberhäuser

Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner bei der Arbeit

Dietmar Brauner an seinem Arbeitsplatz mit dem "neuen Kollegen", © LVR/Rupert Oberhäuser

Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner bei der Arbeit

Der Roboter drückt Module in den Motor, die Brauner anschließend verschraubt, © LVR/Rupert Oberhäuser

Ford-Mitarbeiter Dietmar Brauner bei der Arbeit

Erst wenn Brauner das "Go" gibt, bewegt sich der Roboter, © LVR/Rupert Oberhäuser

Das Kobot-Projektteam: Ralf Kutzinsky (BGM-Koordinator), Meike Groh (Disability Managerin), Vanessa Lemoch (Projektleiterin), © LVR/Rupert Oberhäuser

Die Mitarbeiter haben den Roboter gut angenommen, © LVR/Rupert Oberhäuser

Der Roboter hat die Arbeit im April 2021 aufgenommen, © LVR/Rupert Oberhäuser

Dietmar Brauner an seinem Arbeitsplatz mit dem "neuen Kollegen", © LVR/Rupert Oberhäuser

Der Roboter drückt Module in den Motor, die Brauner anschließend verschraubt, © LVR/Rupert Oberhäuser

Erst wenn Brauner das "Go" gibt, bewegt sich der Roboter, © LVR/Rupert Oberhäuser

 

Kontakt

Fiona Ries

Landschaftsverband Rheinland
LVR-Inklusionsamt

+49 (0) 221 809 5303
fiona.ries@lvr.de